Klingenthal muss wieder einmal den Witterungsunbilden trotzen
Im Vogtland haben sie ein paar spezielle Bräuche in der Weihnachtszeit. So finden sich in nahezu jedem Fenster sogenannte Schwibbögen. Das sind Schnitz- oder Drechselarbeiten, bei denen auf einem Holzbogen, der auf einem breiten Fuß ruht, Kerzen brennen. Das Innere des Bogens ist mit Motiven aus der Welt der Bergleute oder der Region verziert. Schwibbögen brachten in grauer Vorzeit ein wenig Licht in den dunklen Tagesablauf der Bergmänner, denn die verließen im Winter im Dunklen die heimatliche Hütte, fuhren unter Tage ein und kehrten auch erst wieder zurück, als die Sonne längst untergegangen war.
Tradition haben auch wechselnde Wetterbedingungen
Bergbau gibt es im Erzgebirge und im Vogtland schon lange nicht mehr, die Sehnsucht nach Licht und Schönheit aber ist geblieben. Und so stellten Menschen, die zur Symbolik neigen, vor dem ersten Weltcup-Sprung in der Arena einen großen Schwibbogen in den Anlaufturm. Allerdings wackelte die Schnitzerei bedenklich, ein strammer Wind blies über den gar nicht mal so hohen Bergen des Vogtlandes. Und machte die Konkurrenz der Frauen kurzzeitig zum Vabanque-Spiel. Statt zur Mittagszeit mussten sich die Springerinnen bis zum Nachmittag in Geduld üben. Am Ende gab es zur Premiere des Frauen-Weltcups nur einen Durchgang und selbst das war fast schon ein Wunder. Ein großes Dankeschön an alle helfenden Hände, die das möglich gemacht haben! Gute Tradition ist im Vogtland eben auch, den Skisport mit viel Einsatz zu fördern und zu leben!
Gigantischer Aufgalopp!
In Klingenthal haben sie mit dem Wetter einfach kein Glück. Dabei kamen die Sachsen ausgerechnet wegen diverser Wetterkapriolen überhaupt erst in den Weltcupkalender. 2007 sprangen sie kurzfristig für einen wegen Schneemangels ausgefallenen Wettbewerb im tschechischen Harrachov in die Bresche, meisterten ihre Premiere mit Bravour. Es war kalt, Schnee lag ausreichend und mehr als 10.000 Fans wollten die Springer auf der neuen Schanze durch die Lüfte segeln sehen.
Fester Bestandteil des Weltcups
Der Weltverband FIS war zufrieden und die Sachsen fortan eine Nummer im Weltcup-Kalender. In den Folgejahren aber, da schien es, als habe sich Petrus die Ecke im so genannten Musikwinkel (zwischen Bayern, Tschechien und Sachsen) als Testobjekt für die verrücktesten Wetterkapriolen ausgesucht. Sommer Grand-Prix Wettbewerbe Anfang Oktober bei 25 Grad Celsius, Winter-Weltcups bei 12 Grad Plus – oder auch bei minus Fünfzehn, Sturmtiefs, Dauerregen, Blitzeis. Wettermäßig gab in den Jahren buchstäblich nichts, was es nicht gab. So wie Hawaii fast alle Klimazonen der Erde auf kleinem Raum beherbergt, ist Klingenthal an Wettkampftagen seither ein Kaleidoskop denkbar möglicher Wetterphänomene.
Einen Durchgang als Tribut gezollt
An diesem Wochenende jedenfalls gab es fast alles auf einmal. Donnerstag schien die Sonne, es war windstill, prächtige Bedingungen für einen Wettkampf. Richtig, Donnerstag war auch kein Wettkampftag. Bei der Qualifikation am Freitag schneite es leicht, der Aufsprunghang war in ein silbernes Licht getaucht, viel schöner hätten die Winterbilder nicht ausfallen können.
In der Probe zur Frauenkonkurrenz am Tag darauf schneite es zwar, aber der Test ging problemlos über die Bühne. Doch es blieb wie verhext: Pünktlich zum Start des Wettbewerbs frischte der Wind nicht nur auf, er wechselte auch die Richtung, kam in Böen. Dafür ließ der Schneefall nach und es wurde deutlich wärmer. Irgendwie brachten die Organisatoren – mit Verzögerung – trotzdem das Kunstrück fertig, zumindest einen Wettkampfdurchgang über die Bühne zu bekommen. Das sorgte für Erleichterung, trotzdem hätte man den Frauen eine andere Winterpremiere im Vogtland gewünscht, als unter diesen äußeren Bedingungen.
Hohe Schule Schanzenpräparation
Bei den Männern blies es anschließend weiter kräftig, dazu kam dann Regen. Wobei: Was man am Samstag für Regen hielt, wäre am Sonntag als leichtes Tröpfeln durchgegangen. Denn dann schüttete es wie aus Eimern, der Schnee rund um die Schanze schmolz zusehends und dann kamen die Windböen. Parallel dazu kletterte das Quecksilber im Thermometer fast bis in den zweistelligen Bereich. Und doch es ist kein Wunder, dass es trotzdem ein Springen geben konnte. Man sollte besser sagen: Es ist die hohe Schule der Schanzenpräparation, die dieses Springen möglich machte! Gute Leute muss man halt haben!
Auf ein Neues!
Beim Wettbewerb selbst spielte dann sogar das Wetter mit, der Regen hatte aufgehört. Man wünscht den nimmermüden Organisatoren und den Helfern rund um den Weltcup herum einfach, dass sie irgendwann mal einen Wettbewerb erleben, bei dem es windstill ist und kalt. Und ein Wettbewerb durchgeführt werden kann, ohne im Minutentakt kritisch, ängstlich oder ärgerlich Richtung Himmel blicken zu müssen. Fragen, warum das Wetter vor und nach Wettkampfphasen in Klingenthal in der Regel beständig gut ist, sind direkt an Petrus zu richten …