Vom „Kleinschanzen-Karle“ zum Überflieger und zurück
Als Karl Geiger am Sonntagabend zum letzten Mal sicher gelandet war, da entlud sich die aufgestaute Spannung beim ansonsten ja eher introvertierten Oberstdorfer in einem Jubelschrei. Die Arme zeigten in Richtung Himmel, die Fäuste geballt, so rutschte Geiger die letzten Meter des Auslaufs seinen drei Mitstreitern entgegen, die es nicht mehr in der so genannten „Leaders-Box“ gehalten hatte, sondern die in den Auslauf stürmten, um gemeinsam mit Karl zu jubeln. Der Lokalmatador hatte mit dem finalen Satz auf fast 100 Meter den Deckel drauf gemacht, auf einen Wettkampf, von dem er anschließend fast gerührt behauptete, es falle ihm schwer, das Ganze einzuordnen, denn eigentlich sei man ja „komplett aus dem Off“ gekommen.
Eine deutsche Domäne
Deutschlands Mixed-Team im Skispringen war gerade Weltmeister geworden. Mal wieder. Denn wenn man mit einigen Jahren Abstand auf die WM-Bilanzen schauen wird, dann stehen Titel für die vom DSV gestellten Vierlinge in den Jahren 2015, 2017, 2019 und eben auch 2021 im Protokoll. Oder anders – vier der bisher fünf ausgetragenen WM-Mixed-Team-Wettbewerbe gingen an Deutschland, dieser Wettbewerb ist eine Domäne „Made in Germany“.
Vom Außenseiter zum Champion
Aber 2021 war alles anders. Denn niemand hatte damit gerechnet, dass am Ende des Wettkampfs die Schützlinge von Andreas Bauer und Stefan Horngacher ganz oben stehen würden. Zu durchwachsen die Vorleistungen im Weltcup, die Damen ohne Podestplatz, die Herren mit einer Schlangenlinie als Formkurve. Zu stark die Konkurrenz aus Slowenien, Norwegen, Österreich und Japan.
Eine WM ist eine WM
Aber eine WM ist eine WM und als Katharina Althaus mit einem Riesensatz auf 104 Meter die Konkurrenz aus deutscher Sicht eröffnete, da schwante Markus Eisenbichler, „dass da was gehen kann“. Eisenbichler, Anna Rupprecht, der im zweiten Durchgang vielleicht der beste Sprung ihrer bisherigen Laufbahn gelang, schoben nach sieben von acht Versuchen die Gastgeber auf Rang eins.
„Kleinschanzen-Karle“ macht den Sack zu
Und dann kam Karl, dem jahrelang der Titel „Kleinschanzen-Karle“ vorauseilte, weil der 29jährige viele seiner Erfolge eben auf der Normalschanze hatte feiern können. Bis zum WM-Beginn hatte der Oberstdorfer mit diesem Spitznamen nicht so viel anfangen können und ihn als Skiflugweltmeister von Planica eigentlich auch zu den Akten legen dürfen, jetzt wird er ihn wohl mit Stolz tragen. Denn der Karle schaffte das Kunststück, nach Silber im Einzel machte er den Sack zu und sprang zu Gold.
Für alle Vier ein ganz spezieller Erfolg
Eine Sensation, zweifellos, aber ein völlig verdienter Sieg und für jedes einzelne Mitglied aus dem Quartett verbunden mit ganz besonderen Emotionen. Geiger und Althaus siegten als Oberstdorfer tatsächlich „daheim“, für Markus Eisenbichler war es Titel Nummer fünf – nur Carina Vogt hat so viele Goldmedaillen scheffeln können – und Anna Rupprecht freute sich über ihre allererste internationale Medaille, und die schimmert gleich mal golden. Fazit von Karl Geiger: „Schöner geht’s nicht!“