Eisenbichler und Geiger fliegen von einem WM-Titel zum nächsten
Die Szene, die das unglaubliche Geschehen, das sich bei der Einzelentscheidung der Skispringer am Bergisel abspielte, am treffendsten charakterisiert, spielte sich beim finalen Sprung von Markus Eisenbichler in der so genannten „Leaderbox“ ab.
Während „Eisei“ mit vollem Risiko wie ein Pfeil durch die Luft schnellte und tief im Tal landete, stand Teamkollege Karl Geiger in eben dieser Box, die dem aktuell Besten im Wettkampf vorbehalten ist. Geiger hatte genug mit sich zu tun: Schuhwerk wechseln, Startnummer richten, Jacke zu, Brille ab. Dann aber sah er den Kumpel fliegen, landen, jubeln. Geiger, der selten vor lauter Emotionen überschnappt, ballte die Fäuste, riss die Arme hoch und jubelte wie ein Fan mit. Und das, obwohl ihn sein Mannschaftskamerad gerade aus der Box gekickt hatte.
Die Aktion beschreibt exemplarisch, was sich in einem unglaublichen Wettkampf auf der traditionsreichen Schanze in Innsbruck zugetragen hatte. Zwei Sportler, die bei Trainings- und Wettkampfreisen nicht nur das Zimmer teilen, sondern die von sich behaupten, befreundet zu sein, freuten sich über ihre Leistungen und gönnten dabei auch dem jeweils anderen den Erfolg. Eisenbichler, der nach seiner Landung gar nicht anders konnte, als seine Freude minutenlang herauszubrüllen, revanchierte sich bei der Siegerehrung am Abend, indem er erst Karl Geiger zu dessen Silbermedaille gratulierte, ehe er selbst auf das oberste Podest hüpfte.
Geiger und Eisenbichler, Weltmeister und Vizeweltmeister vom Bergisel schweißt eine Menge zusammen. Der mit 27 Jahren etwas ältere Siegsdorfer musste in seiner Karriere ebenso mit vielen Rückschlägen kämpfen, wie sein knapp zwei Jahre jüngerer Kumpel aus dem Allgäu. Beide galten nicht als die ganz großen Talente, mussten sich ihre Erfolge mühsam erarbeiten und dabei auch Tiefen überwinden. Werner Schuster beschreibt das so: „ Beide sind nicht die Jahrhunderttalente, aber extrem willig, fleißig und fokussiert. Deshalb taugen sie auch als Vorbilder, denn der sportliche Weg, den sie hinter sich haben, war nicht geteert, sondern voller Schlaglöcher.“
Doch die Schlaglöcher scheinen in den WM-Tagen von Seefeld mit Schnee aufgefüllt worden zu sein. Denn das fliegende Doppelzimmer sicherte sich zusammen mit Richard Freitag und Stephan Leyhe auch den Weltmeistertitel mit der Mannschaft. Was für ein unglaublicher Abgang, der Werner Schuster von seinen Adlern beschert wird. Der meinte nach dem Triumph im Interview: „Dieser Titel passt richtig gut zu uns.“ Recht hat er, denn er hat insbesondere dieses Team von Talenten und harten Arbeitern über Jahre geformt und in seiner ganzen Breite erfolgreich gemacht. Nun hat es sich als Mannschaft und auch den Trainer mit Gold belohnt.