Die Gesetze der Staffel-Aufstellung und die Intuition der Taktik-Füchse
Erik Lesser läuft die Biathlon-Staffel an. Hinter diesem Satz verbergen sich keine besonderen hellseherischen Fähigkeiten, das ist seit Jahr und Tag so. Dass Karl Geiger die Skispringer mit seinem finalen Satz zur Olympischen Bronzemedaille führte, hat ebenfalls die wenigstens Fans verwundert. Dann war vielleicht doch eine Überraschung, dass bei der deutschen Silberstaffel der Frauen ausgerechnet Sofie Krehl als Schlussläuferin aufgestellt wurde. Das Geheimnis hinter all dem Positions-Geplänkel: Gewohnheit und Taktik.

© Team Deutschland / Philipp Reinhard
Die Aufstellung der Biathlon-Staffel
Nehmen wir mal die Biathleten. Die stürzen zu Beginn alle auf einmal los. Da gilt es zunächst, sich im Kampf Mann gegen Mann oder Frau gegen Frau zu behaupten. Notfalls auch mal mit den Ellenbogen. Aber nicht jeder Sportler, nicht jede Sportlerin ist dafür geboren. Langlauf und Biathlon sind als Zweikampfsportarten eher nicht berühmt. Nächster Punkt: Mindestens beim ersten Schießen herrscht Enge und Lärm am Schießstand. Erik Lesser ist als sicherer Schütze bekannt, ob es um ihn herum knallt oder ob die Vöglein zwitschern. Dem Thüringer ist das ziemlich egal. Lesser kann sich auf sich selbst konzentrieren, die Ohren zuklappen. Und er reagiert auch nicht hektisch, wenn der eine oder andere Konkurrent schon wieder die Pferde sattelt, während er selbst noch an seiner Serie bastelt.
© Team Deutschland / Philipp Reinhard
Und die Aufstellung beim Skispringen?
Beim Skispringen gilt das Gesetz des Pokerns. Stelle ich mein Quartett streng nach Leistung auf oder werfe ich der Konkurrenz mal einen Brocken zum Knabbern hin? Taucht mein Leader plötzlich an zweiter Stelle auf und zwingt so Mitbewerber und Jury zu einer Reaktion. Man stelle sich vor, der Überflieger der Saison würde als erster Teamspringer in die Spur gehen. Das hätte zur Folge, dass der Anlauf nach dem Besten festgelegt werden müsste. Da kann ein Wettkampf auch mal früh entschieden werden – immer vorausgesetzt im Team des Besten stünden mindestens noch drei weitere richtig Gute. Im Normalfall aber gilt: Die vermeintlich schwächsten Springer werden gern an Position Zwei eingesetzt.
Aufstellung der Silber-Staffel im Langlauf
Einen ganz speziellen Plan hatten sich Deutschlands Langlauftrainer für die Olympiastaffel zusammengebastelt. Man war sich über die Aufstellungen der Konkurrenz ziemlich im Klaren. Und weil man zudem das Leistungsvermögen der eigenen vier Frauen gut einschätzen konnte, packten die DSV-Tüftler tief in die Trickkiste. Stellten nicht nur schlau auf, sondern brachten der Truppe auch bei, so lange es geht, vorn mitzumischen, selbst aber nicht zu attackieren.
Daran hielten sich Startläuferin Katherine Sauerbrey, die an der führenden Russin bis zu Kilometer vier wie ein Gummi klebte, dann angriff. Das galt für für Katharina Hennig, die Russlands Natalja Neprjajewa folgte wie ein Schatten, um die Weltcupspitzenreiterin am Stadioneingang auf Platz 2 zu verabschieden. Und das klappte auch bei Victoria Carl, die sich auch nicht dadurch irritieren lies, dass ihre Konkurrentin immer mal wieder versuchte, das Weite zu suchen. Im Zielraum kam die Thüringerin als erste zum Wechsel, da hatten sich Norwegen, Schweden, Finnland schon mit großem Abstand nach hinten verabschiedet.
Sophie Krehl als Schlussläuferin konnte zwar der finalen Attacke der Russin nicht standhalten, aber den Angriff auf Platz 2 abwehren und somit für eine der bisher emotionalsten Momente dieser Olympischen Spiele sorgen. Der kam auch zustande, weil das Quartett die Idee der Teamleitung nicht nur verstanden, sondern verinnerlicht und konsequent umgesetzt hatte.
© Team Deutschland / Max Galys