Die deutschen Alpinen sind gut durch den Pandemie-Winter gekommen und haben die sportlichen Erwartungen zum Teil übertroffen. Aber Sportdirektor Wolfgang Maier sieht auch ein paar große Aufgaben: Er will die „Leistungsdelle“ bei den Frauen beheben und sorgt sich um den Nachwuchs.
Wenn der Weltcup-Winter zu Ende ist und der Fokus der Alpinen mit den Ski- und Materialtests schon wieder auf der neuen Saison liegt, wird hinter den Kulissen Bilanz gezogen. Was ist gut gelaufen, was ist weniger gut gelungen? Und es geht vor allem auch darum, Schwachstellen zu beheben.
Positive Saison mit Verbesserungspotenzial
Sportdirektor Wolfgang Maier findet zwar, er könne „auf eine positive Saison zurückblicken“, sieht aber auch „Verbesserungspotenzial“. Die Bilanz mit einem Sieg, fünf Podiumsplatzierungen und 28 Ergebnissen unter den Top Ten fällt auf den ersten Blick eher mager aus, verglichen mit den vergangenen Jahren. Ähnlich selten waren die Alpinen zuletzt im Winter 2006 in der absoluten Weltspitze vertreten gewesen. Aber nach dem Rücktritt von Viktoria Rebensburg und dem verletzungsbedingten Ausfall von Thomas Dreßen, der in der Saison davor drei Abfahrten gewonnen hatte, fehlten die Siegfahrer in
der Mannschaft. Die Ansprüche waren deshalb nicht so hoch wie in den vergangenen Jahren.
Highlight Ski-WM der Alpinen
So gesehen war der Winter für die Alpinen doch ein sehr guter. Nicht nur wegen der WM in Cortina d’Ampezzo, bei der es dreimal Silber und einmal Bronze für den Deutschen Skiverband gab. Dabei haben beinahe alle Medaillengewinner ihr bis dato bestes Rennen und teilweise auch das beste Karriereergebnis einfahren können. Weidle, Sander, Baumann & Co waren also auf den Punkt fit.
Weltcup-Podien und permanente Top-Leistungen
Darüber hinaus haben sich die Kollegen von Thomas Dreßen aus der Speedmannschaft im Weltcup in der erweiterten Weltspitze festgesetzt, bei den Frauen ist das Kira Weidle gelungen. Linus Straßer hat mit seinem Sieg beim Torlauf von Zagreb und dem zweiten Platz in Adelboden für die Höhepunkte der Weltcup-Saison gesorgt. Alexander Schmid erreichte den zweiten Podestplatz seiner Karriere in einem Einzelwettbewerb. Und Lena Dürr schaffte eine arrivierte Athletin mit Platz sechs in dieser Slalom-Wertung einen Erfolg, den ihr nicht mehr sehr viele zugetraut hatten.
Einzelkämpferin und Rücktritte
Aber dieser Winter hat auch die Lücken gezeigt. Weidle musste als Einzelkämpferin durch den Winter touren, weil die Kolleginnen aus der Abfahrtsmannschaft allesamt verletzt ausfielen. Michaela Wenig wird nun gar nicht mehr zurückkehren. Die Lenggrieserin hat wegen anhaltenden Hüftproblemen ihre Karriere beendet. Ebenso wie die Technik-Spezialistin Marina Wallner, die ihre Ski auch an den berühmten Nagel hängte.


DSV Alpin Damen wollen Leistungsdelle ausbeulen
Während die Männer in allen Disziplinen Athleten unter den besten 15 haben, gibt es bei den Frauen vor allem im Riesenslalom Nachholbedarf. Lediglich Andrea Filser schaffte es ein paar Mal, sich unter den besten 30 platzieren. Maier spricht von „einer Leistungsdelle“ und bezeichnet die deutsche Frauenmannschaft derzeit „nur punktuell konkurrenzfähig“. Eine der vordringlichsten Aufgaben sei es deshalb, „dem Leistungsunterschied zwischen Frauen und Männern besser entgegenzuwirken“.
Solidarität in der Covid-Saison
Der größte Erfolg neben den sportlichen Leistungen war es aber, die Herausforderungen der Pandemie so gut gemeistert und den Weltcup geordnet über die Bühne gebracht zu haben. Den Alpinen ist dies zusammen mit den Skispringern am besten gelungen von allen im Ski-Weltverband organisierten Disziplinen. Pandemiebedingt ist nicht ein Wettbewerb ausgefallen, „die Bereitschaft und Solidarität unter den Veranstaltern war groß“, sagte Maier, die Rennen zu übernehmen, wie im Fall Wengen oder Kvitfjell geschehen. Die deutsche Weltcup-Mannschaft kam zudem ohne Corona-Fall durch die Saison. Neben der vom Verband ausgetüftelten aufwändigen Test-Logistik war für Maier „auch die große Disziplin aller Beteiligten ausschlaggebend“. Soziale Kontakte wurden stark eingeschränkt, sich auch außerhalb der Weltcup-Blase oft isoliert. Bei Trainingslehrgängen wohnten die Athleten in Apartments und verpflegten sich selbst.
Kinder wieder in die Bewegung bringen
Große Sorgen macht sich Maier allerdings um den Nachwuchs. Aufgrund der politischen Vorgaben durften Kinder der Altersklassen U12 nicht trainieren. „Für mich ist das weder nachvollziehbar noch akzeptabel“, sagt der Sportdirektor. In vielen anderen Ländern seien „viel bessere Lösungen“ für den Sport gefunden worden. Die restriktive Verbotspolitik habe „massive Konsequenzen“. Nicht nur im Skisport, wie die rückläufigen Mitgliederzahlen in den Landessportverbänden belegen. „Wir müssen es daher schnellstmöglich schaffen, die Kinder wieder in die Bewegung, in den Sport zu bringen“, sagt Maier.
„Junge Menschen sind unsere Zukunft.“