Das Hahnenkamm-Rennen auf der Streif in Kitzbühel lebt von Extremen
Sie ist die Schönste, die Spektakulärste, vielleicht auch die Gefährlichste – sie ist: DIE STREIF. Exakt 3.312 Meter lang, mit einer durchschnittlichen Neigung von 27 Prozent. Seit 1931 wird das Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel ausgetragen. Seit 1937 auf der heutigen Strecke. Und seit es den Alpinen Skiweltcup gibt, also seit 1967, findet immer im Januar das legendäre Rennen im Rahmen des Weltcups statt. Die Streif ist ein Begriff, ein Mythos.
Der Start
Es gibt wohl kein Starthaus, in dem so eine angespannte Ruhe herrscht, wie im auf 1.665 Meter hohen Starthaus. Es ist der Respekt, vielleicht auch die Angst, vor dem, was kommt. Zunächst kommt ein unglaublich steiles Teilstück, dass die Läufer auf nur 160 Metern binnen achteinhalb Sekunden von Null auf Tempo 120 katapultiert.
Mausefalle, Karussell und Steilhang
Auf das Steilstück mit 51 Prozent Gefälle folgt der erste Sprung, die legendäre Mausefalle. Es geht nahezu senkrecht bergab, das Gefälle liegt an diesem steilsten Stück der Piste bei 85 Prozent. Rund 80 Meter wird geflogen, ehe man wieder Kontakt zur Erde hat, im Steilhang. Doch zuvor wartet mit dem Karussell noch ein technisch anspruchsvoller Bereich. Schon hier wird oft über Sieg und Niederlage entschieden, die Fahrer müssen Fliehkräfte von 3G aushalten, also dem Dreifachen des eigenen Körpergewichts. Eigentlich ein Zustand für Piloten von Kampfflugzeugen. Der Steilhang selbst ist ein Bereich, der perfektes Material und exaktes Timing erfordert.
Brückenschuss, Gschöss und Alte Schneise
Wer mit viel Speed aus dem Steilhang gleitet, wer gutes Material und den Mut hat, in der tiefen Hocke zu bleiben, der schießt förmlich durch Brückenschuss und Gschöss. Ein kleiner Sprung in der schräg hängenden Alten Schneise ist sozusagen das Vorspiel zum zweiten Sprung.
Seidlalmsprung
Halbzeit! Der Seidlalmsprung, es gibt ihn übrigens erst seit 1994, befindet sich in etwa auf der Hälfte der Strecke. Schwierigkeit hier: Im Sprung muss man die Richtung ändern, nach rechts korrigieren und das, obwohl man vor dem Abheben gar nicht richtig sehen kann, wohin die Reise gehen wird.
Lärchenschuss und Hausberg
Wieder Richtungswechsel und zwar rapide, fast eine Vierteldrehung. Es folgt der Lärchenschuss und die Anfahrt zum Oberhausberg, danach geht es in ein „S“, an dessen Ende wartet der nächste Klassiker beim Klassiker: die Hausbergkante. Nach diesem Satz eine Kompression und ein Linksschwung, genannt die Hausberg-Querfahrt. Gleich ist es geschafft. Und das wird auch höchste Zeit, denn obwohl das „quer“ im Namen vermuten lässt, dass es etwas geruhsamer zugeht, erreichen die Athleten immer noch dreistellige Werte in Sachen Tempo. Aber ein Ende ist in Sicht…
Zielsprung
…denn es folgt der Zielsprung. Das klingt verheißungsvoll, man hört und sieht im Normalfall schon die Fans, aber Achtung, es ist noch nicht vorbei. Vor dem Sprung werden die Läufer in einer Kompression tief in die Hocke gedrückt, dann schießen sie mit Höchstgeschwindigkeit in den Zielhang hinein und nicht wenige Träume zerschellten – das Ziel vor den Augen – in diesem Bereich. Was dann folgt, ist Jubel oder Enttäuschung, in jedem Falle aber Erleichterung, es geschafft zu haben.
Die Legenden der Streif
Wo beginnen? Bei Bernie Ecclestone, Arnold Schwarzenegger, den Schönen, den Reichen, denen, die glauben gesehen werden zu müssen? 50 Millionen Euro werden – in Corona-freien Zeiten – Jahr für Jahr am Hahnenkammwochenende im Großraum Kitzbühel umgesetzt. Seit Ex-Skirennläufer Harti Weirather mit seiner Agentur die Vermarktung übernahm, wurde die Veranstaltung endgültig professionalisiert. Alle, die das Ziel erreichen, sind Helden, die Sieger werden unsterblich. Didier Cuche, ausgerechnet ein Schweizer, führt die Liste der Mehrfachsieger mit fünf Erfolgen an. Österreichs Abfahrts-Gott Franz Klammer schaffte vier Triumphe, davon drei am Stück, Karl Schranz gewann zwei Mal, Hermann Maier gerade mal einmal. Hahnenkammsieger diesen Titel konnte allerdings bis 2013 nur nutzen, wer die Kombination gewann. Was den meisten Abfahrern ziemlich schnuppe war. Inzwischen gibt es zahlreiche Zusatzrennen, so auch in diesem Winter. Aber die Streif bleibt die Streif.
Rekorde
Der erste Sieger brauchte 1937 dreieinhalb Minuten, der Rekord auf der Streif ist noch nicht ganz so alt, hat aber doch schon etwas Patina angesetzt. Fritz Strobl raste vor 25 Jahren in unglaublichen 1:51,58 min. ins Ziel. Auch den Speed-Rekord hält ein Österreicher, für Michael Walchhofer wurden 2006 153 km/h vermessen. Rekord sind sicherlich auch 14 Kilometer verbaute Fangzäune oder die Tatsache, dass kein Fernsehereignis aus Österreich weltweit so intensiv wahrgenommen wird, wie das Hahnenkammrennen. Michael Kogler, Regisseur vom ORF kann das vergleichen, weder das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker noch der Wiener Opernball können der Streif die Show stehlen.
Deutsche Erfolge auf der Streif
Ludwig „Luggi“ Leitner war der Erste, der für Deutschland auf der Streif siegte. Allerdings, Leitner wurde in Österreich geboren, hatte die deutsche Staatsbürgerschaft erst Ende der 50er Jahre angenommen. Jedoch hinderte ihn das nicht daran, 1963 im Slalom für den DSV zu siegen und nur zwei Jahre später dann in der Abfahrt. Leitner gewann übrigens auch die Lauberhorn– und die Kandahar-Abfahrt, so etwas würde man heute wohl Grand-Slam nennen. Der letzte DSV-Sieg liegt noch gar nicht so lange zurück. Aber die Sensation schlechthin waren die Erfolge von Josef „Sepp“ Ferstl. Drei Mal zuvor hatte Legende Franz Klammer auf der Streif gesiegt. Ganz Österreich war der Meinung, das ging so weiter. Doch dann durchkreuzte ausgerechnet ein Deutscher die kühnen rot-weiß-roten Pläne. Obwohl Ferstl 1978 zeitgleich mit dem Österreicher Sepp Walcher auf dem Siegerpodest stand, galt der Erfolg des Deutschen in der Alpenrepublik als nationale Niederlage.
Und diese war nur dadurch einigermaßen zu ertragen, so berichtet die Legende, dass im Jahresverlauf im argentinischen Cordoba ein gewisser Hans Krankl zum Rächer der Nation avancierte und den Deutschen in deren Lieblingssportart Fußball kräftig eins auswischte. Aber: Die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Denn im Januar 1979 siegte auf der Streif…? Sepp Ferstl! Und ist damit der einzige Deutsche, der das Hahnenkammrennen zwei Mal zu seinen Gunsten entscheiden konnte. Nur eine von unzähligen Geschichten rund um ein Rennen, dass den Siegern einen sicheren Platz im Abfahrer-Himmel sichert. Dann, fast 40 Jahre später, wehten im Zielraum erneut die deutschen Fahen. Thomas Dreßen feierte am 20.01.2018 den bisher größten Erfolg seiner Karriere: Der Sieg auf der Streif!