Jahrelang haben sie in Oberstdorf auf diese Heim-WM hingearbeitet. Strecken und Schanzen wurden saniert, Konzepte für die Fans entwickelt, an Rahmenprogrammen gebastelt. Nordische Skiweltmeisterschaften, das haben die Titelkämpfe von 1987 und 2005 gezeigt, waren für die Marktgemeinde im Allgäu immer ein Katalysator in Sachen Tourismus. Der Ort geriet für Wochen in den Fokus der Weltöffentlichkeit, war mehr als nur der Startplatz der Vierschanzentournee. 2005 bejubelten hunderttausende Fans an der Sprunganlage am Schattenberg und im Langlaufzentrum Ried die weltbesten Springer, Läufer und Kombinierer. Und 2021 sollte das nächste Highlight werden.
Dann kam Corona und mit der Pandemie die Einschnitte. Das Resultat: Zuschauer wird es bei diesen Welttitelkämpfen nicht geben, dafür noch mehr Aufwand. Denn gemeinsam mit der bayerischen Landesregierung, den zuständigen Gesundheitsbehörden, einem Expertenteam, DSV und FIS wurde ein Hygienekonzept entwickelt, dass dafür sorgen soll, die Weltmeisterschaft möglichst Covid-19-frei zu absolvieren. Anstelle der Festzelte treten Testzentren, statt Partystimmung vorzugsweise Social Distancing. Siegerehrungen im Kurpark sind ebenso nicht gestattet wie die geselligen Treffs rund um Stadion und Schanze.
Sicherheitsvorkehrungen optimiert
Zugegeben. Diese WM wird voraussichtlich nicht das erhoffte Wintermärchen werden. Aber mit einem ausgefeilten Hygienekonzept sind zumindest die Voraussetzungen geschaffen worden, die Titelkämpfe in der so genannten „bubble“ sicher und verantwortungsbewusst absolvieren zu können.
WM im Allgäu als großes Highlight
Nachdem nun viel über die unterschiedlichen Rahmenbedingungen gesprochen wurde, ist es jetzt aber höchste Zeit, den Blick auf den Sport zu richten. Denn gerade für die Gastgeber sind die Titelkämpfe im eigenen Land ein echter Höhepunkt für alle Beteiligten. Beim DSV hat man gezielt darauf hingearbeitet. Schließlich ist die WM im Allgäu neben Peking 2022 eines der ganz großen Highlights im Sportlerleben der aktuellen Athleten-Generation.
Aber auch hier gilt: Dann kam Corona. Sowohl bei den Trainingsmaßnahmen als auch bei der gesamten Saisonvorbereitung war Flexibilität die höchste Trumpfkarte. Hinzu kam ein Wettkampfkalender, den es immer mal wieder durcheinanderwirbelte. Das aber ging allen Nationen so. Die sportliche Zwischenbilanz vor Beginn der Titelkämpfe und nach drei Wettkampf-Monaten fällt derzeit noch gemischt und teils völlig unterschiedlich aus.
DSV Adler bei der Vierschanzentournee im Höhenflug
Im Skispringen lief es bis einschließlich der Vierschanzentournee hervorragend. Dann fiel das Team zunächst einmal geschlossen zurück im Vergleich zur Weltspitze, die von Norwegen dominiert wird. Nur um bei der Generalprobe vor der WM wieder mit Selbstbewusstsein und guten Leistungen ganz oben anzuklopfen. Bei den Kombinierern konnte man den Rückstand zu Jarl Magnus Riiber deutlich verkürzen und ist wieder in Schlagdistanz – der Norweger bleibt aber großer Favorit. Bei den Skisprungfrauen klemmte es vor der WM auch noch hier und da ein wenig und auch die Kombiniererinnen zeigten sich noch etwas wankelmütig. Aber die Tatsache, dass die Damen bei Großereignissen seit Jahren verlässlich lieferen, nährt die Hoffnung, dass die Mannschaft ihre vorhandene Qualität zum Saisonhöhepunkt ausspielen wird. Und auch im Bereich Langlauf hat sich zuletzt einiges getan, so dass sich die Fans zumindest bei den Team- und Staffelbewerben mal ein vorsichtiges Ausrufezeichen in der Programmzeitschrift setzen sollten.
Angerer, Teichmann & Co haben es 2005 vorgemacht
Eines ist jedenfalls sicher: Es wird spannend sein, mit zu verfolgen, ob die deutschen Asse tatsächlich auf den Punkt topfit sein werden, so wie das schon so oft in der Vergangenheit zu erleben war. Erinnerungen an Oberstdorf gibt es viele, von Ackermann bis Weinbuch, von Angerer bis Teichmann. Für einige Sportler ist es ein doppelter Heimvorteil, Johannes Rydzek, Karl und Vinzenz Geiger oder Katharina Althaus könnten eigentlich auch daheim schlafen. Für alle aber ist die WM auch eines: Ein erster wichtiger Fingerzeit auf dem Weg zu den Olympischen Spiele in Peking 2022. Deshalb wird bei der Analyse der Wettkämpfe im Allgäu auch Weitsicht gefragt sein, weil aus den Ergebnissen von Oberstdorf die entscheidenden Lehren für die Olympiasaison gezogen werden können. Und so hat kann man die Weltmeisterschaftstage von Oberstdorf tatsächlich unter das Motto stellen: Zwischen Vorsicht und Weitsicht.