Erik Lesser vs. Tarjei Boe
Es gibt Geschichten, die werden wohl nie aufgeklärt. Und es gibt Stories, für die gibt es ein Happy End. Vielleicht! Bei Familie Lesser kennt man beide Varianten. Und weil Enkel Erik am Wochenende in Olso seine letzten Weltcups bestreitet, soll zunächst die von Opa Axel erzählt werden. Der war ein begnadeter Skilangläufer und bei den Olympischen Spielen 1976 auf dem Weg zu Staffel-Gold, als ihm in einer Abfahrt eine Person, die ihm in seiner Spur entgegenkam, aus der Bahn warf. Statt Platz eins in Seefeld gab es für den Mann aus Brotterode ein Gipsbein im Innsbrucker Krankenhaus. Das Rätsel um Lessers Unglück wurde nie endgültig aufgeklärt. Er selbst, aber auch sein schwedischer Konkurrent Christer Johansson und Finnlands Juha Mieto vermuteten eine übereifrige russische Betreuerin als Unfall-Verursacherin. Nur durfte in Lessers Heimat, der DDR, dieser Verdacht gegenüber dem „Brudervolk“ nie und nimmer geäußert werden. Alles blieb geheim, schriftliche Unterlagen gibt es nicht und inzwischen sind die wenigen Eingeweihten nicht mehr am Leben. Der Knieschaden, den Axel Lesser bei diesem Unfall erlitt, erwies sich als irreparabel, die Karriere war zu Ende. Immerhin, in Strbske Pleso 1970 hatte es zu WM-Silber gelangt. Aber vier Jahre später, als die DDR zu WM-Gold in Falun gelaufen war, fehlte der für den ASK Oberhof startende Thüringer verletzungsbedingt und Innsbruck endete mit dem Malheur. Jetzt schaut Opa Axel – inzwischen 75 – entspannt dem Enkel bei dessen finalem Auftritt zu.
Der weiß, was er dem Opa zu verdanken hat, der war schließlich sein großes sportliches Vorbild. An Erfolgen hat Erik die Tradition fortgesetzt, Opa Axel längst übertroffen, aber mit den Russen hat auch der 33jährige noch eine Rechnung offen. Die stammt aus dem Jahr 2014, als das DSV-Quartett in Sotschi Biathlon-Silber in der Staffel holte. Hinter Russland. Da sich bei den Russen aber positive Dopingtests ergaben, dürfte Gold eigentlich an die Deutschen gehen. Nur: Der Prozess zieht sich schon ewig hin, trotzdem scheint ein Happy-End für das DSV-Team früher oder später die wahrscheinlichste Lösung.
Noch immer heiß auf Siege
An all diese Dinge wird Erik Lesser nicht denken, wenn er am Wochenende seine letzten Rennen absolviert. Den Sprint am Freitag beispielsweise. Und obwohl die Saison schon endlos lang und das Karriereende nah ist – heiß auf Siege ist der Thüringer immer noch. Das bewies er zuletzt bei nahezu allen Weltcup-Auftritten nach Peking. Bronze im Single-Mixed-Wettkampf von Otepää gemeinsam mit Franziska Preuß feierte Lesser euphorisch und natürlich nicht ohne sein Handy, denn auch außerhalb der Biathlon-Strecke sorgt der Mann mit dem breiten Scheitel für Aufmerksamkeit. Mit Auftritten in den sozialen Medien, aber auch mit politischem und sozialem Engagement. So verlieh er seinen Twitter-Account inzwischen schon mehrfach an diverse ukrainische Sportler, die damit eine breite Öffentlichkeit erreichen konnten. Ein Sieg oder zumindest ein Podestplatz in Oslo, das wäre jedenfalls so recht nach Erik Lessers Geschmack und würde den Abschied enorm versüßen. Künftig stehen jedenfalls Lebensgefährtin Nadine und Töchterchen Anouk mehr im Focus.

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Das Duell der alten Herren
Einer, der auf derlei Gefühlte zumindest im Wettkampf keine Rücksicht nehmen kann und wird, ist Tarjei Boe. Der ist nur reichlich zwei Monate jünger als sein deutscher Widerpart und insgesamt noch wesentlich erfolgreicher als Lesser. Boe gewann immerhin 3x bei Olympischen Spielen, holte 2 Silber- und eine Bronzeplakette. Und wurde insgesamt 11x Weltmeister. Eine unglaubliche Laufbahn, die möglicherweise ebenso wie die von Erik Lesser am Holmenkollen enden könnte. Die Holmenkollenmedaille – der Ritterschlag für Nordische Skisportler und Biathleten – die hat der ältere der Boe-Brüder schon 2020 erhalten. Was also noch fehlt, ist ein zweiter Einzelsieg in Oslo. Den ersten feierte Tarjei Boe vor neun Jahren – im Sprint natürlich. Der ist sowieso die Weltcup-Paradestrecke des Norwegers, der zwar in Stryn auf die Welt kam, aber längst in der Hauptstadt lebt. Sechs Weltcuperfolge stehen zu Buche und zuletzt glänzte Tarjei in Peking mit Bronze beim Familienduell hatte Bruder Johannes-Thingnes die Nase vorn. Gut möglich also, dass am Holmenkollen zum Saisonfinale das „Duell der alten Herren“ zu bewundern sein wird. Verdient hätten einen Platz auf dem Podium jedenfalls beide.


Von Otepää über Stockholm nach Oslo
Mit einer kleinen Maschine und einem kurzen Zwischenstopp in Stockholm ging es für das Team von Otepää direkt weiter nach Oslo. Da das bisherige Hotel gerade umgebaut wird, wohnen die Athleten nun in Fornebu, direkt am Meer. Trotzdem ist man mit dem Auto in kurzer Zeit am Holmenkollen. Ein cooler Pespektivwechsel – von Stadt und Meer zu Schnee und Wettkampf bei frühlingshaften Bedingungen.
Die Strecken sind bestens präpariert. Die Temperaturen steigen von Tag zu Tag, was zu einem spannenden, letzten Rennen führen kann, denn:
- nimmt man eine frühe Startnummer, könnten die Bedingungen auf der Loipe zwar besser, aber aufgrund der Sonne natürlich auch langsam sein.
- nimmt man eine späte Startgruppe kann es tiefes Geläufe sein, aber die Chance, dass es kühler wird und damit die Gleitbedingungen besser, ist höher.
Also verpasst den spannenden Kampf um die letzten Podestplätze nicht und schaltet den Fernseher ab Donnerstag ein!
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