Frauen auf der Großschanze – längst normal, bei der WM zum ersten Mal
Wenn man sich bei den Springerinnen umhörte, dann klang das nach dem ersten Training auf der Großschanze nicht anders als bei den Herren der Schöpfung. Die einen waren froh, dass endlich Druck und Tempo in die Sache kommt, andere hatten noch Umstellungsprobleme. Und fairerweise muss man sagen, dass es die Erfahreneren sind, die die Größe des Augenblicks im Focus hatten. Daniela Iraschko-Stolz beispielsweise, die freute sich darauf, dass nun der große Bakken auch bei der WM ein Thema ist, die Frauen wie die Männer vier Chancen auf Edelmetall haben. Für die Jüngeren dagegen sind Sprünge von großen Schanzen normal. Ob Oslo oder Oberstdorf, Klingenthal oder Sapporo – für die aufstrebende Generation gibt es nichts Neues mehr zu entdecken. Skifliegen – das ist das neue Sehnsuchtsziel der Frauen. Und ganz klar: Bis es soweit ist, kann es nicht mehr lange dauern, dann fällt auch die letzte Männerdomäne auf den Schanzen.

Rasante Entwicklung
Bei aller Euphorie gerät schnell in Vergessenheit, dass es gerade mal 12 Jahre her ist, seit Frauenskispringen überhaupt ins WM-Programm aufgenommen wurde. 2009 war das in Liberec und wer sich an die ersten Titelkämpfe erinnert, dessen Urteil fällt zur WM Premiere der Kombiniererinnen in diesem Winter sicherlich etwas differenzierter aus, als bei manch anderem Kritiker.
Von Anfang an dabei
Inzwischen hat die Disziplin längst richtig Fahrt aufgenommen. Trotzdem lohnt ein Blick in die Geschichte, denn eigentlich ist Frauenskispringen so alt wie der Sport selbst. Schon 1862 vermerkt eine Zeitung die Norwegerin Ingrid Vestby als Skispringerin. Die erste bekannte Mitteleuropärin auf der Schanze war Comtesse Paula Lamberg aus Kitzbühel, von ihrem 22-Meter-Satz existiert sogar ein Foto. Das zeigt die junge Gräfin standesgemäß gewandet im schwarzen Kleid, aber mit Skistöcken bei ihrer mutigen Luftfahrt. In Deutschland machte ein gewisses Fräulein Engelbrecht zwischen den Weltkriegen als fliegende Amazone auf sich aufmerksam. In Norwegen gab es reine Frauenwettbewerbe mit über 20 Teilnehmerinnen. Im Mutterland des Skisports empfing Norwegens damaliger Kronprinz Olav die kühnen Fliegerinnen Kolstad und Bradkerüd nach ihrem Auftritt auf dem heute noch existierenden Midstue-Bakken bei den Holmenkollen-Skispielen in der Königsloge – diese Ehre wird nur besonders Auserwählten zuteil.
Pionierleistungen
Nach dem 2. Weltkrieg versank die Disziplin im Dornröschenschlaf, wurde erst in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wiederbelebt. Wieder war es eine Norwegerin, die zunächst für Aufsehen sorgte, ihr Name: Anita Wold, die ihr Können vor den eigentlichen Männerwettbewerben präsentierte. Tiina Lehtola aus Finnland, sprang als erste Frau über 100 Meter. In den 90er Jahre sorgte Eva Ganster aus Österreich für Furore, die traute sich sogar auf die Skiflugschanzen, stand als Bestmarke 167 Meter. Die Erste, die die 200 Meter Marke knackte, war 2013 Gansters Landsfrau Daniela Iraschko-Stolz, heute Nestor im Feld der Springerinnen.
Ihre Ex-Konkurrentin, Ulrike Gräßler, die bei der WM-Premiere 2009 mit Silber für das erste DSV-Edelmetall bei den Frauen überhaupt gesorgt hatte, freut sich auf einen interessanten Wettbewerb, „bei dem die Schanze vielleicht ein bisschen mehr streut, als kleinere Anlagen, auf der aber auch die guten Fliegerinnen eine Chance haben werden.“ Das hört sich rein sportlich nach einem ganz normalen Wettkampf an und genau so sollte es auch sein.
Die Mühen der Ebene
Die Schwierigkeiten liegen derweil anderswo. Das unterschiedliche Preisgeld ist dabei fast eine Petitesse. Aber während im Weltcup das Männerskispringen als Premiumprodukt gehegt und gepflegt wird, fallen die Wettbewerbe bei den Damen zu oft einfach aus. Moniert deshalb auch Daniela Iraschko-Stolz, die zu Protokoll gibt, sie fände es mehr als schade, dass die Frauen bis zum Weltcup-Finale in Russland jetzt wieder eine lange Pause einlegen müssen. Das sollte, das muss sich ändern, wenn tatsächlich Gleichberechtigung herrschen soll, zwischen Männern und Frauen. Die WM-Premiere auf der Großschanze ist dagegen fast nur die Kirsche auf der Torte.
Verfolgt unsere Skisprung-Damen bei der WM auf DSV Nordisch: