„Die Leistungsdichte beim Frauen Skispringen ist zu niedrig, die Qualität des Springens ist noch nicht im breiten Feld angekommen, das ist doch kein richtiges Skispringen…“ – weil es Frauen sind!? Die Skisprung-Damen haben (noch) mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Unsere Skisprung-Damen stehen nach dieser Saison wieder einmal zwischen Medien, die neue Wettkampfformate für Frauen begrüßen und Platzhirschen aus der Männer-Ecke, die ihnen den Sport erschweren. Was von all dem ist berechtigte Kritik, was ist neu und was muss neu gelernt werden?
Änderungen im Weltcup sind nötig, um die Disziplin auch bei den Frauen attraktiver zu machen
Die Nordische Ski-WM in Oberstdorf ist vorüber und wohl kaum ein Massenmedium hat nicht darüber berichtet, dass zum ersten Mal eine Entscheidung von der Großschanze auch bei den Skispringerinnen fiel. Allgemeiner Tenor der Berichterstattung: Die Gleichberechtigung zwischen auf den Schanzen ist wieder einen Schritt vorangekommen. Das stimmt! Aber wie sieht es insgesamt mit der Chancengleichheit zwischen dem so genannten „starken“ und dem „schönen“ Geschlecht im Skispringen aus? Ein genauerer Blick verrät – es klaffen noch erhebliche Lücken.
Premiumsportart nur für Männer?
Skispringen wird gemeinhin als die Premium-Disziplin des Nordischen Skisports bezeichnet. Als Begründung für diese These werden Zuschauerzuspruch, Marketingmöglichkeiten und Preisgelder herangezogen, auf die spektakulären Momente des Springes verwiesen, die Königsdisziplin Skifliegen ins Feld geführt. Das alles sind nicht von der Hand zu weisende Argumente. Sie gelten aber eigentlich ausschließlich für die Männerwettbewerbe. Schaut man auf diese Saison, fällt auf, dass – abgesehen von der RAW-Air – nahezu alle Bewerbe, die Corona-bedingt auszufallen drohten, problemlos ersetzt werden konnten. Der ohnehin sehr eng getaktete Weltcup-Kalender wies kaum Lücken auf.
Weltcup als Flickenteppich, gemeinsame Bewerbe selten
Bei den Damen dagegen klaffen gewaltige Löcher – selbst ohne pandemische Sonder-Situationen. Zwischen dem (anno 2020 ausgefallenen) Auftakt in Lillehammer Anfang Dezember und dem nächsten Weltcupspringen im Januar (normalerweise in Japan) gibt es im Frauen Skispringen fast einen Monat keine Wettbewerbe. Und das im Dezember, der Hoch-Zeit des winterlichen Sporttreibens. Skiflug-Weltcups sucht man bisher vergeblich und die oft und vehement geforderte Vierschanzentournee für Frauen lässt ebenfalls noch auf sich warten. Mehr noch – die beim Fernsehpublikum beliebten Mixed-Team-Wettbewerbe bleiben eine Rarität, weil gemeinsame Weltcups an einem Ort nach wie vor an einer Hand abzählbar bleiben.
Was muss sich im Frauen Skispringen ändern?
Es stehen also Änderungen ins Haus. Das gilt für das Fliegen, die inzwischen letzte Bastion der Männer. Das gilt für die Tournee. Wobei hier die Frage im Raum steht, ob es wirklich sinnstiftend ist, die Frauen zwischen Oberstdorf und Bischofshofen ins Programm zu integrieren. Kein Flutlicht in Garmisch-Partenkirchen und Innsbruck machen die Zeitplangestaltung extrem schwierig. Überhaupt sollte man vor einer Entscheidung pro gemeinsamer Tournee darüber nachdenken, ob Aufwand und Nutzen in einem Verhältnis stehen, die Kapazitäten aller Beteiligten, von der Unterbringung, dem Transport, der Logistik an der Schanze bis zum Marketing und den Fernsehzeiten nicht überstrapaziert werden. Ob das Frauenskispringen in diesem Umfeld wirklich die Aufmerksamkeit genießen kann, das es verdient hat? Oder ob es sich mit dieser Forderung nicht eher selbst zum Vorspringen vor den Männerwettkämpfen degradiert. Mindestens ebenso wichtig ist es aber, den Weltcupkalender bei den Frauen endlich in eine Form zu gießen, die die massiven Lücken zwischen den einzelnen Bewerben schließt. Gelingt das, wäre es ein weiterer Schritt, nicht nur für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, sondern für den Nordischen Skisport insgesamt. Aber – auch das sei nicht verschwiegen – all diese Änderungen brauchen auch eines: Geduld!