Freund geht von Bord, Kobayashi gewinnt Gesamtweltcup
Am Ende hat es für Karl Geiger nicht gereicht. Ryoyu Kobayashi wehrte alle Versuche des Oberstdorfers ab, doch noch den Gesamtweltcup zu seinen Gunsten zu entscheiden. Für den Deutschen blieb Rang 2 im Gesamtklassement. Geiger gratulierte artig und befand, der Japaner habe verdient gewonnen. Karl Geiger selbst habe nach dem letzten großen Saisonhöhepunkt, der Skiflug-WM, einfach die Form gefehlt. Darüber hinaus habe sein Konkurrent auch noch einige Springen gar nicht bestreiten können, weil er Corona-Pandemie-bedingt habe passen müssen.


DSV-Adler müde
Aus DSV-Sicht brachte das letzte Flugwochenende am WM-Ort des kommenden Jahres die Erkenntnis, dass die lange und kräftezehrende Saison ihren Tribut gefordert hatte. Die Deutschen waren im Kampf um vordere Plätze weder in den Einzelentscheidungen noch im Team noch konkurrenzfähig. Deshalb hatte für das Team von Stefan Horngacher wohl eher die Entscheidung von Severin Freund, seine Karriere zu beenden, im Mittelpunkt des Interesses.
Doch auch ohne größeres Zutun der DSv-Adler erlebte Planica ein furioses Weltcup-Finale. Ein Wochenende, das Appetit macht auf den nächsten großen Höhepunkt im Nordischen Skisport, die WM 2023. Zehntausende Fans erlebten an den drei Wettkampftagen dabei zuallererst eine Show der heimischen Flieger. Die Slowenen dominierten, auch wenn das letzte Hurra von Skiflugweltmeister Marius Lindvik aus Norwegen kam. Er brachte das Kunststück fertig, am Finaltag vor der Armada Sloweniens aufs oberste Podest zu segeln. Lindvik gehört gemeinsam mit Kobayashi zu den Springern, die die Saison entscheidend prägten. Der Mann aus Fernost gewann souverän die Tournee, den Gesamtweltcup und holte Olympiagold. Lindvik stand in Peking ebenfalls ganz oben. Er wurde Skiflugweltmeister und katapultierte sich mit einem starken Saisonfinale noch auf Rang drei im Gesamtklassement.

Gesamtbilanz der DSV-Adler zufriedenstellend, aber Luft nach oben

Aus deutscher Sicht verlief der Olympiawinter mittelprächtig. Die ausgegebene Zielsetzung, 20 Jahre nach dem Triumpf von Sven Hannawald wieder den Tourneesieg ins Visier zu nehmen, hatte sich früh erledigt. Dafür war Karl Geiger im Gesamtweltcup ganz vorn mit dabei, gewann gleich mehrere Einzelweltcups, kämpfte bis zum Finaltag um den Gesamterfolg. Bei den Olympischen Spielen fanden die Deutschen nur schwer in die die Spur, lieferten aber mit 2x Bronze von der Großschanze. Und bei der Skiflug-WM in Vikersund hatte man in der Einzelentscheidung schon nach dem ersten Wettkampftag keine Medaillenchance mehr, revanchierte sich aber mit Silber in der Mannschaft.
Physikalisch unmöglich – im Springen machbar: Die breite Spitze
Als Team dominierten andere. Österreich gewann zum ersten Mal nach der Ära von Alexander Pointner die Nationenwertung, wenn auch knapp vor den am Ende stark auftrumpfenden Slowenen. Die untermauerten ihre Dominanz im Skifliegen und neben Marius Lindvik konnte auch Vorjahres-Gesamtsieger Halvor Egnar Granerud Akzente setzen. Das gelang dem in den letzten Jahren starken polnischen Team ausgerechnet im Olympiawinter lange Zeit nicht. Am Ende rettete Dawid Kubacki mit Bronze von der Normalschanze die Skisprung-Ehre der Osteuropäer.


Zukunftsthemen – von existenziell bis spannend
Sportliche Aspekte waren aber nicht die einzigen Themen dieser abgelaufenen Saison. Man darf gespannt sein, wie diverse Themen bis zum nächsten Skisprungwinter bearbeitetet und gelöst werden. Stichworte gibt es reichlich: Materialdiskussionen – von Skiern, Schuhen über die Bindungen bis zu den Anzügen und Helmen, der neue Weltcup-Kalender, dessen erstes Trimester im Schatten der Fußball-WM steht, Diskussion um mehr gemeinsame Termine von Männern und Frauen – Stichwort Vierschanzentournee, Regelfragen und Bereiche wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Oder das leidige Thema Corona -mittlerweile Dauergast im Weltcup.
Über allem aber steht seit Mitte Februar eine weitere Frage: Wie soll ein friedlicher sportlicher Wettbewerb aussehen in Zeichen eines Krieges mitten in Europa? Und so bleibt im Moment nur die Hoffnung, dass – wenn es wieder Winter wird – endlich Frieden herrscht in Europa. Denn Frieden – das ist die grundlegende Voraussetzung, um über sportlichen Wettstreit. Siege oder Niederlagen an der Schanze sind da nebensächlich.