Zwei entfernte Verwandte aus Oberstdorf geben im Skisport den Takt an
Es gehört zu den Standardfragen, die Vinzenz und Karl Geiger zu beantworten haben. Nein, Brüder sind sie nicht, aber entfernt verwandt, lautet dann immer die Antwort und es folgt eine Erläuterung, auf die an dieser Stelle aus Platz- und Zeitgründen verzichtet wird. Aber der Name Geiger, der hat sich inzwischen eingeprägt in der Welt des Wintersports, egal ob nun in der Nordischen Kombination oder dem Skispringen.
Getrennt agieren, vereint zuschlagen
Obwohl vier Jahre älter, begann die Laufbahn von Karl, ebenso wie die des jüngeren Vinzenz, im Jahr 2012, der Skispringer versuchte sich im Continental-Cup, der Kombinierer im Alpen-Cup. Aber während Karl schon im Winter 2012/13 bei den Besten mitspringen durfte, dauerte es bei Vinzenz, ehe er im Dezember 2015 in Lillehammer sein Debüt im Weltcup der Kombinierer geben konnte.
Weil natürlich nicht jede einzelne Etappe der Entwicklung der beiden Top-Athleten aus dem Allgäu ausführlicher beleuchtet werden kann, sei an dieser Stelle nur auf zwei Aspekte verwiesen: Karl Geiger feierte seine ersten internationalen Erfolge vorwiegend auf Normalschanzen, was ihm den Spitznamen „Kleinschanzen-Karle“ einbrachte. Vinzenz konnte sich im Schatten der Kombinations-Superstars Frenzel, Rydzek und Rießle Stück für Stück an die Weltspitze herantasten – schließlich trainierte er ja gemeinsam mit den Besten.
Dann kam der Winter 2017/18 und mit ihm die Olympischen Spiele in Pyeongchang. Mit den beiden Oberstdorfern, die dem Olympischen Motto „Dabei sein ist alles“ nicht viel abgewinnen konnten. Und nahezu im Parallelstil die ersten ganz großen Erfolge feiern durften. Karl holte Silber mit der Mannschaft der Spezialisten, Vinzenz sogar Gold im Teamwettbewerb der Kombinierer. Ein Jahr später – bei den Welttitelkämpfen in Seefeld gab es dann ein ähnliches Bild unter veränderten Vorzeichen. Diesmal war Karl der Erfolgreichere, 2x Gold und 1x Silber brachte der Springer aus Tirol mit, für Vinzenz gab es eine Silbermedaille mit der Mannschaft.
Und spätestens im Jahr darauf traten beide endgültig ins Rampenlicht. Der Kombinierer sorgte für die beiden deutschen Einzelweltcupsiege, der Springer stand bei Einzelkonkurrenzen gleich 4x auf dem Treppchen. Vinzenz wurde von der Fachpresse deshalb jüngst in Ramsau (AUT) mit dem Titel „Rookie of the year“ gewürdigt, was ja nur insoweit korrekt war, als dass er mit seinen damals gerade mal 22 Jahren immer noch ein junger Hüpfer war.
Heim-Weltmeisterschaft als nächster Laufbahn-Höhepunkt
Die aktuelle Saison brachte und bringt allerlei Merkwürdigkeiten mit sich, auf die Sport und Sportler keinen Einfluss haben, die aber dennoch auf Leistungen durchschlagen können. Nicht so bei den Geigers – Karl startete stabil in den Weltcup und schaffte dann beim ersten Höhepunkt des Winters gleich einen Riesenerfolg, der einstige „Kleinschanzen-Spezialist“ wurde auf einer der größten Schanzen der Welt im slowenischen Planica Skiflug-Weltmeister, gewann zudem Silber mit dem Team. Und Vinzenz? Dessen Saisonstart verlief eher zäh, aber kurz vor Weihnachten platzte der Knoten und der 23-Jährige gewann in Ramsau nicht nur zwei Weltcups, sondern kämpfte dabei jedes Mal Überflieger Jarl Magnus Riiber aus Norwegen nieder. Am letzten Wochenende vor dem Fest konnte Karl dagegen nicht wie geplant in Engelberg starten, Corona hatte auch ihn erwischt. Man darf aber hoffen, dass beide Oberstdorfer bei der Heim-WM fit und voller Tatendrang am Start sein werden. Um auch beim Heimauftritt die erste Geige spielen zu können.