Eric Frenzel schreibt weiter Sportgeschichte, dieses Mal am dramatischen Kapitel
Als ob die „Einzelhaft“ für Eric Frenzel nicht schon Drama genug gewesen wäre. Die letzte Entscheidung der Kombinierer, die der 33jährige sozusagen im letzten Moment erreicht hatte. Denn seine Corona-Werte hatten gerade noch rechtzeitig vor dem Start eine entsprechende regelkonforme Höhe erreicht. Es wurde zum Wechselbad der Gefühle, zum Krimi, zum Drama eben.

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Kapitel 1
Frenzel war weit gesprungen, hatte gejubelt wie noch nie nach einem geglückten Flug und stand nun im Stadion. Er wartete auf Julian Schmid, der auf Position zwei laufend bravourös alle Attacken von Weltmeister Lamparter aus Österreich erfolgreich abgewehrt hatte. Und nun stürmte er gemeinsam mit dem 20jährigen und den Kollegen aus Japan und Norwegen ins Stadion. Frenzel galt aus naheliegenden Gründen als ausgeruht, die Belastungstests waren zur Zufriedenheit ausgefallen und das Trainerteam entschieden, den Routinier aufzustellen. Auf Position drei, auf Angriff.
Kapitel 2 – Der Angriff
Aber schon am ersten langen Anstieg wurde klar, Eric, der Superläufer, hatte Probleme das Tempo zu halten. Gegen Ende der ersten Runde schaffte der Sachse wieder den Anschluss an das flotte Trio vorn. Aber Mitte des zweiten Umlaufs ging nichts mehr. Frenzel verlor Sekunde um Sekunde, kämpfte wie ein Löwe, sammelte aber dennoch fast eine halbe Minute Rückstand auf die Medaillenränge ein. Vorn tobte Joergen Graabak ungefährdet durch den Parcours. Der Norweger konnte es sich leisten, die letzten 200 Meter als Triumphzug zu absolvieren, die Huldigungen der Fans entgegennehmend.
Kapitel 3 – Die Kehrtwende
Dahinter schaffte Deutschlands Schlussläufer Vinzenz Geiger das Kunststück, die 26 Sekunden binnen einer 2,5-Kilometer-Schleife wieder zuzulaufen. Dann war klar – weiter vor geht es nicht. Also hieß das neue Maximalziel Platz 2. Und weil Geiger und die Konkurrenten dann ein Bahnradsport-Sprinterrennen kopierten, mit Stehversuchen, Fluchtattacken und am Ende einen Zielspurt, den der Oberstdorfer zu seinen Gunsten entscheiden konnte, gelang dieses Unterfangen. Deutschland holte Silber, gewann Silber, wie Bundestrainer Hermann Weinbuch anschließend nicht müde wurde, zu betonen.

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Die Geschichte neben der Geschichte
Davon allerdings hatte Eric Frenzel nichts mitbekommen. Völlig ausgepumpt war der Routinier nach dem wohl härtesten Rennen seiner Laufbahn im -12 Grad Celsius kalten Schnee von Zhangjiakou zusammengebrochen. Minutenlang war Frenzel nicht ansprechbar, nicht gehfähig, zu erschöpft, um die Welt um sich herum wahrzunehmen. Glücklicherweise konnte Teamarzt Dr. Stefan Becher einige Minuten nach der so genannten Flower-Ceremony, der Siegerpräsentation, Entwarnung geben. Der Meister erschien anschließend höchstpersönlich, um zu verkünden, wie dankbar er den Kollegen sei, dass sie seinen „Bock“ noch ausgebügelt hätten. Den letzten Abschnitt des Rennens aber, den müsse er sich noch mal anschauen.

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Happy End
Auch wenn der möglicherweise letzte olympische Auftritt von Eric Frenzel ein emotionales Wechselbad der Gefühle war, an seinem Denkmal hat der Champion weiter gebastelt. Denn Silber in China reiht sich ein in eine Serie olympischer Medaillen. Die erste gab es 2010 in Vancouver, dann folgten Gold in und Silber in Sotschi, 2x Gold und 1x Bronze in Pyeongchang. Macht in Summe sieben Podestplätze, mehr hat keiner.
Joergen Graabak sei gegönnt, dass er inzwischen als erster Kombinierer vier Goldmedaillen hat. Aber Frenzel ist und bleibt eben ein Gesamtkunstwerk. Mit 43 Einzelweltcups, der Heiligsprechung in Seefeld nach dem Seriensieg beim Triple und seinen insgesamt 17 WM-Medaillen, bekanntlich als symbolisierte Schneesterne vergeben, kann sich der im bayerischen Flossenbürg lebende bekennende Erzgebirger in der Vorweihnachtszeit inzwischen die heimischen vier Wände verschönern. Dass Eric Frenzel noch einmal als Sportler zu Olympischen Spielen erscheint, ist eher unwahrscheinlich. Zwar sollte man niemals nie sagen, aber eines ist jetzt schon klar – unter Umständen wie in diesem Jahr fährt Frenzel auf gar keinen Fall 2026 nach Italien.

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