Es bedurfte höherer Mächte, um das Märchen von Stephan Leyhe zu stoppen. Der Willinger, geboren im Ortsteil Schwalefeld und inzwischen 28 Jahre alt, war bisher das, was man einen guten Teamplayer nennt. Folgerichtig feierte der Hesse seine größten Erfolge immer mit der Mannschaft, sei es 2018, als es in Pyeongchang zu Olympia-Silber reichte, sei es im Vorjahr, als er als Teil des Teams den WM-Titel in Innsbruck holte.
Mit Geduld zum Erfolg
Leyhe war immer der, der lieferte, wenn es darauf ankam, ansonsten galt er als der Mann hinter den Stars. Aber der Hochsauerländer entwickelte sich kontinuierlich, wurde auch in den Einzelkonkurrenten einer, der an guten Tagen durchaus ganz vorn hineinspringen konnte. Im Gegensatz zu deutschen Skispringern, die in der Vergangenheit diese Rolle ausgefüllt hatten, erinnert sei an dieser Stelle an Christof Duffner oder Hans-Jörg Jäkle.
Erstes Podest in Wisla 2018
Und im Herbst 2018 glaubte man, der Knoten sei geplatzt. Leyhe wurde beim Weltcupauftakt im polnischen Wisla Zweiter, seine erste Podestplatzierung im Weltcup – in einem Einzelspringen wohlgemerkt. Und weil Kontinuität ein Markenzeichen von Leyhe ist, reichte es bei der Vierschanzentournee zu einem hervorragenden dritten Platz in der Gesamtwertung. Einziger Makel: Die Top-Platzierung schaffte er, ohne in einer der vier Konkurrenzen aufs Podest gehüpft zu sein. Und weil das beherrschende Tournee-Duell Kobayashi gegen Eisenbichler lautete, ging der Erfolg von Leyhe ein bisschen unter. Der Hesse, der des Sportes wegen seit einigen Jahren im Schwarzwald zuhause ist, ließ sich dadurch jedoch nicht entmutigen.
Geiger und Eisenbichler in den Schlagzeilen
Im Februar gab es den WM-Titel mit dem Quartett. Aber wieder redeten alle (nicht zu Unrecht) von den Sensationssiegen eines Marcus Eisenbichler oder den großen Auftritten eines Karl Geiger. Der dominiert aus deutscher Sicht die Schlagzeilen in der aktuellen Saison, war der nationale Held der Tournee und gewann in Predazzo gleich beide Springen. Zudem ist Geiger im Gesamtweltcup aktuell Zweiter. Stefan Leyhe rangiert seit dem Triumph von Willingen auf Rang Sieben und das Wochenende auf der heimischen Mühlenkopfschanze wird er wohl nie vergessen. Denn ausgerechnet daheim schaffte es der sympathische Mann aus dem Waldecker Land, zum ersten Mal ganz oben zu stehen.
Perfektes Timing für Leyhe
Premierensieg im Weltcup mit 28 Jahren, so alt war vor Leyhe noch kein Deutscher zuvor. Der Erfolg ist in doppelter Hinsicht bemerkenswert, zählt doch die Anlage im Upland nicht gerade zu den Favoritenschanzen Leyhes. In der Vergangenheit tat sich Stephan Leyhe vor heimischem Publikum nämlich stets schwer, hatte im Vorjahr bei einer Entscheidung sogar den zweiten Durchgang verpasst und war nur 35. geworden.
Von Beginn an auf Siegkurs
Diesmal aber war alles anders. Sieg in der Qualifikation, nach dem ersten Versuch als Zweiter in Lauerstellung hinter Kamil Stoch. Dann das Finale mit einem Riesensatz, den selbst der Weltklassemann aus Polen nicht mehr kontern konnte – Stephan Leyhe war am Ziel seiner Träume. Heimspiel, Heimsieg und eine Riesenparty der Fans. Nur an einer kam der Champion vom Mühlenkopf nicht vorbei: Sabine. Das Sturmtief, dass mit Orkanstärke über Westeuropa erwartet wurde, zwang die Veranstalter, den zweiten Wettkampftag ausfallen zu lassen. Für die Willinger keine gute Nachricht, schade für die Fans, nicht schön für die Springer. Leyhe gehört zu den wenigen Sportlern, die der Absage noch etwas Positives abgewinnen konnten. Denn erstens holte sich der Deutsche damit auch die „Gesamtwertung“, der als „Willingen Five“ ausgeschriebenen Addition aller Wertungen, Qualifikation inclusive. Und zweitens durfte die Feier daheim ein wenig ausführlicher ausfallen, weil eben kein neuer Wettkampf auf die Springer wartete.