DSV-Bundestrainer Wissenschaft Charly Waibel arbeitet mit einer Projektgruppe der Universität München an einem neuen Funktionsprinzip für Skibindungen.
Eine adäquat eingestellte Skibindung gehört neben Helmen und Rückenprotektoren zu den wichtigsten Ausrüstungsgegenständen zur Verletzungsprävention im Skisport. „Insbesondere bei der Vermeidung von Knieverletzungen, der mit Abstand häufigsten Verletzungsart im Skisport, spielt die Skibindung eine entscheidende Rolle“ betont Karlheinz „Charly“ Waibel, Bundestrainer Wissenschaft im DSV. „Da die Ski bei Stürzen wie ein Hebel die auf das Knie einwirkenden Drehmomente erhöhen, muss die Bindung über einen verlässlichen Auslösemechanismus verfügen, der den Skifahrer im richtigen Moment von den Ski trennt.“ Eine Anforderung, bei der die Konstrukteure an ihre Grenzen stoßen: „Die Funktionsweise von Sicherheitsbindungen basiert seit jeher auf einer Feder, die auf Vorspannung gebracht wird und bei Überschreiten eines definierten Grenzwertes auslöst“, erläutert Waibel. „Um eine Fehlauslösung zu verhindern, müssen die Bindungen angesichts der im Rennsport während der Fahrt auftretenden Kräfte jedoch oft so hart eingestellt werden, dass bei einem Sturz ein wirksamer Schutz vor Knieverletzungen nicht mehr sichergestellt ist. Im Freizeitsport führt dagegen in bestimmten Situationen das Nichtauslösen der Bindung bereits bei geringen Geschwindigkeiten zu unphysiologischen Belastungen des Kniegelenks und damit zu Verletzungen.“
Technisch verfeinertes Prinzip der Bindungsauslösung
Eine mögliche Lösung dieser Probleme sieht der DSV-Bundestrainer Wissenschaft in der Entwicklung eines technisch verfeinerten Prinzips der Bindungsauslösung. So arbeitet Waibel seit einiger Zeit gemeinsam mit einer interdisziplinären Arbeitsgruppe an Bindungen, deren Funktion nicht mehr auf rein mechanischen Prinzipien, sondern auf intelligenten Technologien basiert, die potentiell gefährliche Fahrsituationen und Kräfte erkennen. Inspiration für dieses Umdenken war unter anderem ein Airbag aus dem Motorradrennsport. „Inzwischen ist es gelungen, einen Algorithmus zu entwickeln, der es auch im Skirennsport ermöglicht, aufgrund der auftretenden Beschleunigungen und Fahrlagen kritische Fahrsituationen zuverlässig zu erkennen“, berichtet Waibel. „Erste Tests haben gezeigt, dass die Sensorik sehr gut funktioniert und es zu keinen Fehlauslösungen kommt.“
Zeit und Investitionen bis zur Serienreife
Obwohl damit die technisch anspruchsvollste Aufgabe bewältigt sei, bedürfe es aber noch einiger Zeit und Investitionen, bis die Neuentwicklung serienreif und damit auch dem Freizeitskifahrer zugänglich sei. „Da die Skiindustrie Investitionen in Neuentwicklungen natürlich auch von der potentiellen Nachfrage abhängig macht, haben wir im Rahmen einer Online-Befragung die Bereitschaft der Skifahrer evaluiert, für ihre Sicherheit Mehrkosten beim Bindungskauf zu akzeptieren.“
Rennsport als Innovationsschmiede
Dass der Rennsport wie in der Formel 1 auch im Skisport zur Innovationsschmiede für Neuentwicklungen werden kann, haben Charly Waibel und der DSV bereits bewiesen: In Kooperation mit der TU München und dem DSV-Partner Ortema wurde eine Orthese entwickelt, die Skifahrer zuverlässig vor Verletzungen schützt, dabei aber nicht in ihrer Performance beeinträchtigt. Die Orthese wird mittlerweile nicht nur von Spitzenathleten wie Stefan Luitz, Andreas Sander, Tobias Stechert, Veronique Hronek oder Fabienne Suter zur Verletzungsprävention in Training und Wettkampf eingesetzt, sondern ist auch für Freizeitskifahrer erhältlich. „Wenn es uns gelingt, den in der Entwicklung befindlichen Auslösemechanismus zur Marktreife zu bringen, könnten wir die Sicherheit beim Skifahren einen entscheidenden Schritt voranbringen“, betont Charly Waibel.
Auszug aus dem DSV aktiv Ski & Sportmagazin. DSV aktiv-Mitglieder erhalten die Mitgliederzeitschrift „DSV aktiv Ski & Sportmagazin“ sechsmal im Jahr kostenlos.