Drei von vier möglichen Medaillen bei der Skiflug-WM in Planica gewonnen
Die Bilanz der Deutschen bei dieser Skiflug-WM in Planica ist großartig. Mit dem kompletten Medaillensatz kehren die Schützlinge von Bundestrainer Stefan Horngacher aus Slowenien zurück, der erste Höhepunkt des Skisprung-Winters war ein voller Erfolg. Karl Geiger und Markus Eisenbichler durften am Samstag nach jeweils vier großartigen Flügen aufs Podest, Eisenbichler bekam Bronze, Karl Geiger den goldenen FIS-Schneestern für den Weltmeister umgehängt. Der Oberstdorfer reiht sich damit ein in die Riege der deutschen Weitenjäger von Hans-Georg Aschenbach über den Klingenthaler Klaus Ostwald, Dieter Thoma, Sven Hannawald, der gleich zwei Mal triumphierte, bis zu Severin Freund. Geiger schloss aber auch eine Lücke, denn ausgerechnet in Planica hatte bei Welttitelkämpfen noch kein Deutscher ganz oben gestanden.
Knappe Entscheidung schon im Einzel
Es war eine Entscheidung, wie sie knapper kaum hätte ausfallen können. Denn Weltcupspitzenreiter Halvor Egner Granerud lieferte den beiden Deutschen einen sensationellen Kampf um Meter und Haltungs-Punkte, am Ende war Geiger nach vier Durchgängen ein halbes Pünktchen besser als der Mann aus Oslo. Der zeigte sich zunächst enttäuscht, nahm es anschließend aber trotzdem mit Humor. Denn in den sozialen Medien zeigten die Norweger am Abend nach der Entscheidung ihren Silbermedaillengewinner grinsend in einen „sauren Apfel“ beißend, der Granerud von den Teamkollegen kredenzt worden war.
Showdown im Mannschaftsspringen
Zu diesem Zeitpunkt ahnte wohl noch niemand, dass die Mannschaftsentscheidung das dramatische Finale vom Einzel noch einmal würde toppen können. Und eine ganz neue Facette im Buch des Skifliegen aufklappen sollte, das Pokern auf dem Trainerturm sozusagen als Extra-Durchgang. Der Reihe nach: Schon früh hatten sich herauskristallisiert, dass der Titel nur zwischen Norwegen und den Deutschen ausgeflogen werden würde. Im letzten Versuch des 1. Durchgangs pokerte DSV-Cheftrainer Stefan Horngacher, verkürzte vor dem Sprung von Weltmeister Geiger freiwillig den Anlauf und weil der einstige „Kleinschanzen-Karle“, inzwischen zum weltbesten Flieger gereift, ordentlich ablieferte, lag der Druck bei den Norwegern, Granerud konnte gegenüber dem DSV-Quartett keinen Boden gutmachen, die Deutschen führten.
Überflieger veredelt Ass im Trainerärmel
Im Finale wogte das Geschehen hin und her. Erst zog Norwegen an den Deutschen vorbei, dann lagen die wieder vorn und hatten vor dem letzten Versuch – beide Trainer verzichteten auf Spielchen mit dem Anlauf – nach Eisenbichlers 236 Meter mit Wackler bei der Landung 14 Punkte Vorsprung vor dem Titelverteidiger. Was aber jetzt kam, hatte es bei einer Skiflug-WM noch nicht gegeben. Denn Österreichs Trainerfuchs in Norwegens Diensten begann das große Pokerspiel.
Alexander Stöckl verkürzte den Anlauf für Überflieger Granerud gleich um 2 Luken. Im Gegensatz zum Kartenspiel war das Risiko, dass der am Freitag 47 Jahre alt gewordene Tiroler damit einging, aber nicht durch ihn persönlich auszubaden. Vielmehr musste sein Vorzeigespringer liefern. Und der Vizeweltmeister segelte weit ins Tal, landete sauber und hatte damit eine Vorlage gegeben, an der sich die Deutschen letztlich die Zähne ausbeißen sollten. Obwohl Karl Geigers 224,5 Meter ebenfalls nach einem tollen Versuch zustande kamen. Und eigentlich hätte man damit rechnen können, dass 10 Weitenmeter auf Flugschanzen 12 Zähler ausmachen – es also auf eine extrem knappe Entscheidung hinauslaufen würde.
Rechenexempel im Schnee
Weit gefehlt: Denn Norwegen gewann am Ende mit stolzen 19 Punkten Vorsprung und das kam so zustande: Auf dem Turm hatte auch Deutschlands Trainer reagiert, das war aber offensichtlich nicht korrekt bei den für den Anlauf Verantwortlichen angekommen. Die hatten den Absprungbalken deshalb von Luke 10 zunächst wieder auf Luke 12 hinaufgeschoben, dann erst auf Luke 11 gestellt und anschließend doch die 10 aufgelegt. Karl Geiger war ein wenig irritiert und teilte das den Teamkollegen unmittelbar nach dem Sprung auch mit. Aber: Weil es Bonuspunkte für diese Aktion nur gibt, wenn der Springer anschließend mindesten 95% der so genannten „Hill Size Markierung“ erreicht, die in Planica bei 228 Metern liegt, war der Weltmeister einfach ein Stückchen zu kurz gesegelt.
Hinzu kam, dass diese Möglichkeit in die auf dem Aufsprung-Hang eingeblendete grüne Laserlinie nicht mit eingerechnet worden war. Gelasert wurde bei 225 Metern. Stimmte aber nicht, die grüne Markierung hätte drei Meter weiter hinten aufgezeigt werden müssen. Folglich gab es für die Deutschen die 17 Extra-Zähler für den verkürzten Anlauf nicht, für Norwegen dagegen schon. Und das bedeutete am Ende, dass in der Gesamtwertung der Erfolg für die Skandinavier deutlicher ausfiel, als er eigentlich war. Verdient war der Sieg aber allemal und der „saure Apfel“, in den das DSV-Quartett dem ersten Anschein nach zu beißen hatte, glänzte nach der ersten Enttäuschung silbern.

Ein toller Erfolg für die deutschen Adler nach einem spektakulären Wettkampf. Platz 1 aber ging zum dritten Mal in Folge an Norwegen, für die Skandinavier der fünfte Team-Titel im Fliegen insgesamt, die anderen drei Mal hatte Österreich gewonnen und für alle anderen Nationen wird die Aufgabe 2023 in Vikersund deshalb darin bestehen, in diese fliegerische Phalanx einzubrechen. In Planica jedenfalls sind die Deutschen am Mannschaftstitel um Haaresbreite vorbeigeschrammt, was dem insgesamt phantastischen Abschneiden aber überhaupt keinen Abbruch tat, denn das Wochenende von Planica war tolle Werbung für das Skifliegen.