Was schlaucht mehr? Schadet eine Tour-Teilnahme der Olympiaform?
Alexander Bolschunow fehlte beim Olympischen Sprint. Unentschuldigt! Denn der Name des Russen stand bis zum Beginn der Qualifikation in jeder Startliste. Was folgte war ein schnödes „DNS“ – „did not start“ in der Liste. Ohne Angabe von Gründen, ohne erklärbaren Grund. Naja, es gibt einen. Der nennt sich Belastungssteuerung. Eigentlich ein Begriff, den der Russe nicht im Wortschatz hatte – bisher zumindest. Aber mit Gold im Rucksack und ein paar Wettkämpfen vor der Brust fand es der 25jährige offensichtlich angebracht, die Kräfte zu schonen. So gewann sein größter Konkurrent, Norwegens Johannes Hoesflot Klaebo, die Goldmedaille im Sprint. So wie schon vor vier Jahren. Weltmeister auf der Kurzdistanz ist der Mann aus Trondheim zudem. Allerdings, die beiden Titel holte Klaebo im klassischen Stil, diesmal pflügte er in der freien Technik durch den Kunstschnee in China und gewann.
Für Klaebo, zum Olympia-Auftakt noch gedemütigt und schon bei Halbzeit des Doppelverfolgers über 30 Kilometer chancenlos eine Genugtuung. Für den Russen kein Problem. Denn auch Bolschunow hat gemerkt: Weniger ist manchmal mehr. Denn Skilanglauf als Ausdauersport erfordert nicht nur viel Training, auch die Wettkämpfe schlauchen. Besonders Kanten, wie die Tour de Ski. Oder eben Olympische Spiele.
Tor-Tour de Ski
Das Etappenrennen rund um den Jahreswechsel, ein Wechselspiel zwischen Sprints, Ausdauerdistanzen und dem mörderischen Anstieg als Schluss-Etappe. Verniedlichend „final climb“ genannt, verlangt den Beteiligten alles ab. Weil kaum Zeit zum Regenerieren bleibt. Denn zwischen den Reisen wechseln noch die Austragungsorte. Es muss gereist, ein- und ausgepackt, neu orientiert werden. Oder einfacher – die Tour de Ski ist mit dem Begriff „Tortour“ recht zielgenau beschrieben. Das erfordert entsprechende Vorbereitung und anschließend eine längere Erholungsphase.
Erholung muss sein
Deshalb lassen gerade in Olympia-Jahren einige Stars die Schleife durch die Alpen aus. Denn der Termin passt, mit Blick auf den Wettkampfhöhepunkt, einfach nicht in den Trainingsrahmen. Wobei der Begriff „Höhepunkt“ nicht stimmt, es ist kein Punkt, sondern eher eine Strecke. Und so kann es sein, dass Sportler, die zu Beginn der Spiele in Topform sind, am Ende der zwei Wochen „auf dem Zahnfleisch“ gehen. Das liegt am gestreckten Zeitraum und an den vielen verschiedenen Wettbewerben. Immerhin sind maximal sechs Titel möglich, wenn man alle auf dem Programm stehenden Wettbewerbe zu seinen Gunsten entscheidet.
Ausnahmen bestätigen die Regel
Auf beiden Hochzeiten zu tanzen, also bei der Tour de Ski und bei den Spielen zu gewinnen, auch das gibt’s. Beispiele gefällig? Die würden Bücher füllen. Deshalb an dieser Stelle eher die Gegenprobe: Alle Sportlerinnen und Sportler, die 2010, 2014, 2018 oder in diesem Jahr die Tour de Ski als Gesamtsieger bzw. -siegerin verließen, holten anschließend Medaillen bei den darauffolgenden Spielen. Einzige Ausnahme: Norwegens Heidi Wenig 2018, für sie sprangen „nur“ die Ränge 9 und 8 heraus. Weng ist damit die Ausnahme und sie wird es bleiben, denn für 2022 gilt: Natalja Nepryaeva und Johannes Hoesflot Klaebo sind die Tour-Sieger, die Russin holte zum Auftakt über 15 km Silber und Klaebo das schon geschilderte Gold im Sprint. Geht also doch!