Vor den Olympischen Spielen ist noch völlig offen, wer anschließend den Gesamtweltcup der Skispringer holt. Dieses Wochenende fliegen die Adler in Willingen. Und nach Peking geht der Zweikampf Geiger – Kobayashi in die nächsten Runde!
Diesen Tag vor zwei Jahren wird Stephan Leyhe wohl nie vergessen. Ausgerechnet beim Heimspiel in Willingen gelang dem Sauerländer sein erste Weltcup-Einzelsieg. Was folgte war der blanke Wahnsinn, die Fans flippten aus, die fleißigen Helfer, Freunde und Verwandten natürlich auch. Und weil das Gewinnen daheim am schönsten ist, feierte der halbe Ort die ganze Nacht.
Am Liebsten dahoam – Noch lieber öfter…
Wie man zuhause oder besser „dahoam“ gewinnt, das weiß auch Karl Geiger. Allerdings hielt sich der Allgäuer in dieser Saison, im Gegensatz zum Vorjahr, beim Heimspiel in Oberstdorf vornehm zurück, überließ den Tagessieg bei der Vierschanzentournee auf der heimischen Anlage ausgerechnet seinem ärgsten Konkurrenten, Ryoyu Kobayashi aus Japan. Und das, obwohl „Karle“ als Weltcup-Spitzenreiter ins Allgäu gefahren war. Kobayashi gewann anschließend auch die Tournee-Gesamtwertung und schnappte sich zudem das Gelbe Trikot des Weltcup-Führenden. Nach dem ersten großen Saisonhöhepunkt und dem anschließenden Weltcupwochenende in Bischofshofen schien es so, als würden die DSV-Adler nicht mehr schweben, sondern nur noch müde die Flügel heben können. Und die Konkurrenz segelte davon. Aber eine kleine Pause, ein paar Trainingseinheiten und schon stimmte die Form wieder, Skiflugweltmeister Geiger konterte und kann nun beim Weltcup in Willingen wieder im Leader-Trikot des Weltcup-Spitzenreiters starten.
Entscheidung in diesem Winter wird spannend
Das allerdings sagt noch gar nichts darüber aus, wer im März, wenn im slowenischen Planica die Saison zu Ende geht, die große Kristallkugel für den Champion der Saison in die Höhe stemmen wird. Denn es sind erst 18 von 28 Entscheidungen gefallen, in schnöden Zahlen also noch nicht einmal zwei Drittel aller Punkte vergeben. Selbst nach Willingen bleiben noch acht Einzel-Springen, genügend Zeit also, Bestehendes zu zementieren oder noch einmal anzugreifen.
Geschichte lehrt – es bleibt eng oder auch nicht.
Dabei folgt der Weltcup keiner Logik, wie ein Blick in die Gesamtwertung der letzten Jahre zeigt. Als Severin Freund im März 2015 die Kristallkugel hochhielt, da stand neben ihm der Slowene Peter Prevc und ärgerte sich. Zurecht! Denn nach den letzten Flügen von Planica stand fest: Beide hatten im Saisonverlauf exakt je 1729 Zähler eingeheimst. Ausgerechnet Jurij Tepes, Landsmann von Prevc, entschied das letzte Fliegen für sich. Damit verdrängt er seinen Teamkollegen auf Platz 2. So kam es zur Punktgleichheit zwischen Freund und Prevc. Nun zählten nur noch die errungenen Einzelsiege zur Festlegung des Champions. Und da hatte Freund die Nase vorn. Spannender geht es nicht, aber dafür souveräner.
Wohl angestachelt von der Millimeterentscheidung der Vorsaison rasierte Peter Prevc im Folgejahr die Konkurrenz gnadenlos. Am Ende hatte er auf Severin Freund als Zweitplatzierten stolze 813 Zähler Vorsprung – mehr als nur eine kleine Welt im Skisprung-Weltcup. Und so wechselten sich souveräne Sieger und enge Finals in schöner Regelmäßigkeit ab.
Stefan Kraft aus Österreich entschied 2017 und 2020 die Konkurrenz jeweils erst am Finalwochenende zu seinen Gunsten. Polens Volksheld Kamil Stoch und Ryoyu Kobayashi konnten 2018 bzw. 2019 schon bei der Anreise in Slowenien darüber nachdenken, in welcher Ecke des Autos sie den Pokal auf der Rückfahrt wohl verstauen würden. Und im letzten Winter war Halvor Egner Granerud so souverän, dass er ebenfalls schon geraume Zeit vor dem Auftritt am Fuße des Triglav als Sieger feststand.
Zahlen lügen nicht
Apropos: In diesem Winter steht nur Eines fest: Den vierten Erfolg, so wie es einst den Legenden Matti Nykänen und Adam Malysz gelang (der siegte sogar 3x hintereinander), feiert in diesem Winter garantiert kein Springer. Auch die stolzen 53 Einzelsiege eines Gregor Schlierenzauer bleiben unerreicht. Dafür könnte ein anderes Detail noch interessant werden: Bleibt es beim Duell Geiger – Kobayashi, dann geht es auch darum, in der Reihe der erfolgreichsten Nationen auf Platz vier zu klettern. Bisher stellen die beiden Länder nämlich je drei Weltcupsieger. Den Platz an der Sonne sehen aber sowohl Japan als auch Deutschland bestenfalls mit dem Feldstecher. Ganz oben, dort wo die Luft dünn ist, da thronen einsam und allein die rot-weiß-roten Adler. Die gewannen den Skisprung-Gesamtweltcup nämlich schon stolze 18 Mal.